Kheder Khalaf kam aus dem Irak nach Deutschland. Als Ehrenamtliche der sdw half ihm Ursula Reinartz, Hürden erfolgreich zu nehmen.
Im Frühjahr 2009 flüchtete Kheder Khalaf aus dem Irak nach Deutschland, in ein Land, dessen Kultur und Sprache ihm fremd waren. Er besuchte Sprachkurse, holte sein Abitur nach. Im Sommer 2017 schloss er sein Bachelorstudium erfolgreich ab und kurz darauf erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft. Die ersten Jahre in der neuen Umgebung waren eine aufregende, aber auch sehr anstrengende Zeit, bei der ihn die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) ein Stück weit begleiten und unterstützen konnte.
Fast drei Wochen dauerte sie, die Flucht aus dem Irak nach Deutschland. Eine unvorstellbare Fahrt von Mossul über die Türkei, Griechenland und Italien nach München – im Lastwagen mit 20 anderen. Doch es ging nicht anders: „Ich wollte eine sichere Zukunft haben, das war und ist für Jesiden und andere Minderheiten im Irak nicht möglich“, erklärt Kheder Khalaf. In München angekommen, meldete sich der damals 22-Jährige bei der Polizei, nach dreieinhalb Monaten bekam er eine Niederlassungserlaubnis. Sein Weg führte ihn weiter nach Bielefeld, wo seine Tante mit ihren Kindern wohnt. Kheder hatte viel vor: Sein Abitur und Studium aus dem Irak wurden in Deutschland nicht anerkannt, er wollte diese neue Chance nutzen und alles nachholen.
Bei den ersten Schritten auf diesem Weg stand ihm die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) unterstützend zur Seite. Seit 2010 nahm Kheder in Bielefeld am sdw-Programm „Unternehmen:Jugend“ teil, dessen Idee heute in dem Programm „Zeig, was Du kannst!“ fortgeführt wird. Ziel ist es, junge Menschen mit schwierigen Startbedingungen auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten und zu einem erfolgreichen Schulabschluss zu motivieren.
Kheder besuchte zunächst einen Deutschkurs beim Internationalen Bund. Dort wurde er auf das Förderprogramm der sdw aufmerksam und bewarb sich kurzerhand. Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht ahnen, dass er dort auf eine Person trifft, die seine Zukunft maßgeblich beeinflussen sollte: „Kheder ist mir sofort als ein ganz besonders fleißiger und kommunikativer Mensch aufgefallen“, erinnert sich Ursula Reinartz an ihre erste Begegnung mit ihm. Die ehemalige Lehrerin für Deutsch und Evangelische Religionslehre betreute in Bielefeld für „Unternehmen:Jugend“ eine Gruppe von 20 jungen Menschen. Kheder war einer von ihnen.
Ursula Reinartz kümmerte sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen um die Organisation von Workshops, suchte nach Praktikums- und Ausbildungsplätzen und unterstützte die Teilnehmenden bei Behördengängen. Doch ihr Engagement ging weit über Bewerbungstrainings und Betriebsbesichtigungen hinaus: Die heute 76-Jährige stand auch im Alltag mit Rat und Tat zur Seite und war eine dauerhafte Ansprechpartnerin für viele der jungen Erwachsenen. „Ich habe versucht, den Teilnehmenden immer wieder Mut zu machen.“

Rückblickend sagt Kheder: „Ich wusste damals zwar, was ich machen wollte, aber nicht, wie ich das erreichen konnte. ‚Unternehmen:Jugend‘ hat mir Orientierung gegeben.“ Die sdw hat ihn für das Stipendienprogramm „Geh Deinen Weg“ der Deutschlandstiftung Integration vorgeschlagen, das es ihm ermöglicht hat, im Sommer 2013 sein Abitur abzuschließen – mit einem Durchschnitt von 1,8! Danach war es erneut Ursula Reinartz und „Unternehmen:Jugend“, die Kheders Weg entscheidend beeinflusst haben: Mir ihrer Hilfe konnte er sich einen Praktikumsplatz bei den Stadtwerken Bielefeld sichern – ein Unternehmen, das er im Vorfeld bereits während seiner Zeit beim sdw-Programm im Rahmen eines „Future Camps“ kennengelernt hatte. Bei diesen zweitägigen Workshops bekamen die Teilnehmenden neben zahlreichen Tipps für Bewerbungsgespräche auch die Chance, Unternehmen zu besichtigen und mit Personalverantwortlichen in Kontakt zu kommen. Das Praktikum bei den Stadtwerken ermöglichte Kheder den nächsten großen Schritt: Ein Studium der Ingenieurinformatik an der Fachhochschule Bielefeld, das er mittlerweile erfolgreich abgeschlossen hat. „Ohne die sdw und Frau Reinartz hätte ich das niemals geschafft“, sagt er heute.
Der Kontakt zwischen Ursula Reinartz und Kheder Khalaf ist auch während des Studiums nicht abgerissen, im Gegenteil: Die ehemalige Deutschlehrerin übernahm die Korrekturen seiner Bachelorarbeit, unterstützte ihn bei den Anträgen für die deutsche Staatsbürgerschaft und verhalf ihm schließlich sogar über Kontakte zu seinem ersten Job bei der Resolto Informatik GmbH. „Wir haben Kheder bei ‚Unternehmen:Jugend‘ immer gesagt, dass es wichtig ist, zuzuhören, viel mitzuschreiben, Fragen zu stellen und sich an der Universität gleich deutschen Kommilitonen anzuschließen – das ist entscheidend für das Erlernen der Sprache. Das hat ihm im Studium und danach viel geholfen und sogar eine Stelle als Tutor beschert“, freut sich Ursula Reinartz über die Erfolge ihres Schützlings. „Frau Reinartz und ich sind wie eine Familie geworden“, bringt es Kheder, dessen Eltern noch im Irak leben, auf den Punkt. Sein nächstes Ziel: ein berufsbegleitender Master, bei dem ihm Ursula Reinartz natürlich auch wieder mit Rat und Tat zur Seite stehen wird.
In der sdw engagieren sich rund 1.000 Menschen auf verschiedene Art und Weise. Alle gemeinsam setzen sich für Bildungschancen ein. Wenn Sie auch dazu gehören möchten, finden Sie weitere Informationen auf www.sdw.org.
Fotos: Markus Quabach